Weiterlesen

Für diesen Podcast habe ich zahlreiche Bücher zum Thema gelesen. Einige davon sind sehr zugänglich. Andere eignen sich eher als Vertiefungslektüre.

An dieser Stelle mache ich in unregelmässigen Abständen auf Bücher aufmerksam, die ich all jenen ans Herz legen kann, die es genauer wissen wollen.

 

Zum Einstieg ein Überblick

Der Titel ist etwas irreführend – Maschinen denken nicht, sie rechnen. Trotzdem ist Thinking Machines: The Quest for Artificial Intelligence and Where It’s Taking Us Next die ideale Einstiegslektüre. Der Journalist Luke Dormehl liefert einen gut verständlichen Überblick über verschiedene Anwendungsgebiete von künstlicher Intelligenz. Und er zeigt exemplarisch auf, welche ethischen, sozialen oder politischen Fragen der Einsatz dieser Technologien mit sich bringt.

Besonders aufschlussreich sind die ersten beiden Kapitel des Buches zur Geschichte der künstlichen Intelligenzforschung. Im historischen Rückblick gelingt es Dormehl in groben Zügen zu erklären, was künstlich intelligente Maschinen in jüngster Zeit so erfolgreich macht. Das Zauberwort heisst Maschinenlernen. Während sich die künstliche Intelligenzforschung lange Zeit darauf konzentrierte, intelligentes Verhalten zu programmieren, suchen neuere Technologien mehr oder weniger selbständig nach dem richtigen Lösungsweg. In der Sprach- oder Bilderkennung ist dieser Strategiewechsel äusserst erfolgreich.

Thinking Machines bietet keine detaillierten Erläuterungen zur Funktionsweise heutiger KI-Systeme. Für eine Einführung ist das kein Nachteil. Wer aber verstehen möchte, wozu Maschinen in naher Zukunft in der Lage sein werden, kommt nicht umhin, sich genauer mit den technischen Details auseinanderzusetzen.

Umschlag Penguin

Umschlag Penguin

Die Formeln hinter der künstlichen Intelligenz

Sie möchten es genau wissen und schrecken nicht davor zurück, sich ein paar mathematische Formeln erklären zu lassen? Dann empfehle ich Ihnen das Buch Deep Learning von John D. Kelleher, Professor für Computerwissenschaften an der Technological University Dublin. «Deep learning» ist der englische Begriff für eine Methode aus dem Bereich des maschinellen Lernens, bei der sogenannte neuronale Netzwerke zum Einsatz kommen. Und «tief» ist dieses Lernverfahren deshalb, weil diese neuronalen Netzwerke aus zahlreichen, übereinander gestapelten Schichten bestehen. Was das nun konkret bedeutet und wie die Mathematik funktioniert, die sich hinter diesen Begriffen verbirgt, zeigt Kelleher in seinem Einführungsband.

Obschon ich mich das letzte Mal im Gymnasium mit Gleichungen und Variabeln beschäftigt habe und mich an Differenzialrechnung nur noch dem Namen nach erinnere, las ich dieses Buch mit Genuss. Das liegt vor allem daran, dass Kellehers Erklärungen auch für mathematische Laien gut nachvollziehbar sind. Der Autor zeigt sehr anschaulich, wie der mathematische Aufbau eines neuronalen Netzwerks dessen Möglichkeiten und Grenzen bestimmt. Dabei wird zum Beispiel deutlich, warum sich diese Computerprogramme besonders gut eignen, um Gesichter zu erkennen. Oder wie neuronale Netzwerke mit Hilfe von mathematischen Gleichungen Sprache übersetzen können. Es wird aber auch klar, dass hier mit dem Wort «Lernen» etwas ganz anderes gemeint ist als die Fähigkeit von uns Menschen, uns selbst und die Welt zu entdecken und zu verstehen.

Deep Learning ist keine besonders süffige Lektüre. Doch der Aufwand lohnt sich.

Umschlag MIT Press

Umschlag MIT Press

Verstehen, was Maschinen nicht verstehen

Melanie Mitchell ist Professorin für Computerwissenschaften an der Portland State University. Ihr Buch Artificial Intelligence: A Guide for Thinking Humans beginnt mit einer kurzen Einführung zur Geschichte der künstlichen Intelligenzforschung und der Frage: Deuten die jüngsten Erfolge auf diesem Gebiet darauf hin, dass Maschinen schon bald über ein den Menschen vergleichbares Intelligenzniveau verfügen?

In den drei folgenden Hauptkapiteln erläutert Mitchell anhand verschiedener Anwendungsgebiete von künstlicher Intelligenz, weshalb sie von Spekulationen über superintelligente Roboter wenig hält. Sie erklärt, wie Maschinen gelernt haben, Objekte relativ treffsicher zu erkennen und weshalb es trotzdem immer wieder zu Verwechslungen kommt. Sie zeigt auf, wie Computer sich selbst beibringen, Breakout, Schach oder Go zu spielen, und warum die dabei erworbenen Fähigkeiten in der realen Welt nur bedingt von Nutzen sind. Und wir erfahren, dass selbst die besten Übersetzungsprogramme bis heute nicht zwischen den Zeilen lesen können.

Im Unterschied zu uns Menschen haben künstlich intelligente Maschinen keine Ahnung, was die Dinge bedeuten, die sie sehen, hören oder tun. Und deshalb machen sie Fehler, die uns in der Regel nicht passieren. In Anlehnung an den Mathematiker und Philosophen Gian-Carlo Rota spricht Mitchell von einer barrier of meaning: Maschinen stossen mit ihrem Verständnis für die Welt an Grenzen.

Statt jedoch darüber zu spekulieren, ob und wann sich das ändern wird, liefert Mitchell im letzten Teil ihres Buches eine Erklärung für diese Differenz: Maschinen fehlt unsere Fähigkeit zur Abstraktion und Analogiebildung. Oder anders formuliert: Wir Menschen sind sehr gut darin, aus den vielen kleinen und grossen Dingen, die uns im Leben begegnen, allgemeine Konzepte oder Regeln abzuleiten, die uns dabei helfen, uns in den allermeisten Situationen angemessen zu verhalten. Interessanterweise sind viele dieser Regeln ungenau oder im Detail sogar falsch – jedenfalls nicht annähernd so präzise wie maschinelle Berechnungen. Aber genau deshalb sind sie auch flexibel genug, um sich damit in einer komplexen Wirklichkeit zurechtzufinden.

Mitchell ist zu Gast in der vierten Episode von Intelligenztest.

Umschlag Penguin

Umschlag Penguin